1.11.2020
Finanzen

Florian Homm: Die Kunst des Leerverkaufs

Sie sind Aasgeier und bereichern sich am Leid anderer. So ist zumindest das häufige Vorurteil gegen Leerverkäufer. Aber ist da tatsächlich etwas dran? Heute möchten wir uns unter anderem dieser Frage mit Florian Homms Buch „Die Kunst des Leerverkaufs“ widmen.
David Werner
Inhaltsverzeichnis

Florian Homm

Florian Homm kann auf vier Jahrzehnte Investmenterfahrung zurückblicken und ist bis heute nicht ganz unumstritten. Er verfolgt die sogenannte „Total Return-Strategie“, bei der man in allen Marktlagen profitieren kann. Und da kommt das Thema Leerverkaufen (bzw. "Short-Selling") und sein Buch ins Spiel.

Funktionsweise eines Leerverkaufs

Das Buch besteht grundsätzlich aus vier Kapiteln.

Im ersten Teil werden die Basics zum Thema Leerverkaufen behandelt.

Bei einem Leerverkauf (eng. Short sale) kann man von fallenden Kursen profitieren. Das funktioniert folgendermaßen:

Man leiht sich bei seinem Broker ein Wertpapier und verkauft es direkt weiter. Dadurch verpflichtet man sich automatisch, die Aktie zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukaufen, denn man verkauft ja eigentlich Aktien, die einem gar nicht gehören, sondern nur geliehen sind.

Im Idealfall bestätigt sich die Prognose und nach einiger Zeit (z.B. einige Monate) fällt der Kurs. Jetzt kauft man die Aktien und gibt sie an den Verleiher zurück.

Hier ein konkretes Beispiel:

Der Aktienkurs eines beliebigen Unternehmens liegt bei 50 Euro. Jetzt leiht man sich 100 Aktien und verkauft diese sofort. Dadurch erhält man 5.000 Euro auf das Konto. Ob man mit dem Geld arbeiten hängt vom Broker ab. Ihr müsst aber auf jeden Fall immer eine Sicherheit hinterlegen.

Zwei Monate später ist der Aktienkurs um 20 Prozent auf 40 Euro gerutscht und man entschließt sich dazu, die Position zu schließen. Dazu kauft man 100 Aktien zum Stückpreis von 40 Euro, was einen Gesamtwert von 4.000 Euro macht, und gibt diese an den Verleiher zurück. Der Differenzbetrag von 1.000 Euro ist der Gewinn.  

Natürlich kann es auch passieren, dass der Kurs steigt und ihr dazu gezwungen werdet, die Position glattzustellen, sodass ein Verlust entsteht. Deshalb ist das richtige Timing beim Leerverkaufen essenziell. Denn es kann zwar sein, dass man mit seiner Theorie zwar richtig liegt, nur einige Monate zu früh dran ist und dann die Position schließen muss, weil der Kurs ins Unermessliche steigt und ihr nicht genug Sicherheiten hinterlegen könnt.  

Das Ganze war jetzt natürlich sehr theoretisch. In der Praxis kommen dann noch Gebühren auf euch zu, beispielsweise fürs Leihen der Aktien. Außerdem sollten die Steuern berücksichtigt werden.

Um überhaupt Leerverkauf betreiben zu können, braucht man ein Margin-Konto oder Margin-Account. Florian Homm empfiehlt CapTrader und Interactive Brokers.

Chancen beim Leerverkauf

Und was bringt uns der Aufwand jetzt? Durch das Leerverkaufen habt ihr die Möglichkeit – im Gegensatz zum klassischen Buy & Hold – in Bärenmärkten zu verdienen. Außerdem ist es ein Mittel, um sein Portfolio zu schützen und die Volatilität zu minimieren. Es gibt natürlich aber auch einige Risiken.

Risiken beim Leerverkauf

Dazu gehört beispielsweise, dass beim Leerverkaufen die Verluste theoretisch unbegrenzt sind. Denn eine Aktie kann theoretisch unendlich steigen (was beim Leerverkaufen schlecht für euch ist) und maximal 100 Prozent an Wert verlieren.

Außerdem kann es zum sog. „Short squeeze“ kommen. Das kann dann passieren, wenn viele Spekulanten auf einmal ein Wertpapier leerverkaufen, sodass es durch die Angebotsknappheit zu einem Dominoeffekt kommt. Der Kurs steigt, Leerverkäufer kaufen Aktien zurück, Kurse steigen höher und weitere Leerverkäufer müssen Deckungskäufe tätigen.

Zudem sollte man sich bewusst sein, dass es zum „Margin Call“ kommen kann. Das bedeutet, dass ihr eure Sicherheitsleistungen erhöhen müsst, ansonsten wird eure Position geschlossen. Das passiert zum Beispiel, wenn der Kurs sprunghaft steigt, aber auch in einem Crash kann der Broker euch plötzlich dazu zwingen, mehr Sicherheiten zu hinterlegen.

Auch bei Dividenden sollte man aufpassen. Denn dadurch, dass einem eine leerverkauftes Aktie nicht gehört, habt ihr zum einen kein Stimmrecht auf der Hauptversammlung und müsst die Dividenden an den Verleiher zahlen.

Zusätzlich sollte man die Kosten (wie Leihgebühren) im Blick behalten. Aber auch die Geld-Brief-Spanne und eine eventuelle Nachschusspflicht sollten beachtet werden. Da das von Broker zu Broker unterschiedlich sein kann, ist auch die Wahl des richtigen Brokers wichtig, bei dem ihr ein Margin-Konto oder Margin-Account eröffnet.

Es gibt noch weitere Risiken (wie Insolvenz des Brokers, eventuelle Rechtskosten,…), aber jetzt habt ihr schon einmal einen groben Überblick.

Mechanismen  

Mit welchen Mechanismen man von fallenden Kursen profitieren kann, wird im zweiten Kapitel erklärt.

Florian Homms Favoriten sind Leerverkäufe und inverse ETFs (also ETFs, die das Gegenteil von einem Index abbilden). Von Finanzprodukten wie CFDs, Futures oder anderen Derivaten rät Florian Homm eher ab.

Denn bei Futures sind die Kontraktgrößen beispielsweise für einen Privatanleger zu groß, sodass schnell Kosten im fünfstelligen Bereich anfallen können.

Dieses Problem hat man bei CFDs nicht und so sind sie zwar schon eine Alternative. Man sollte aber vor allem auf den Hebel aufpassen.

Da 90 Prozent der erworbenen Optionen wertlos verfallen, empfiehlt Florian Homm diese eher den Profis.

Portfolio

Außerdem wird noch gezeigt, wie ein Portfolio aufgebaut sein sollte. Und was ich hier ganz spannend finde, ist, dass Florian Homm sich nur auf wenige Titel konzentriert. Also nicht „Breit gestreut, nie bereut“ sondern eher eine geringe Streuung, die aber trotzdem ausreichend diversifiziert ist (5 – 20 Werte).

Florian Homm geht dann auch noch auf die Börsenpsychologie und das Risikomanagement ein und auf einige politische Themen und deren Auswirkungen. Beispielsweise werden die vergangene US-Wahl und der Brexit thematisiert.

Analysen

Im dritten Kapitel geht es darum, wie man einen Kandidaten zum Leerverkaufen findet. Hier werden verschiedene Analysen wie Fundamentalanalyse und Makroanalyse vorgestellt.  

Das ist leider ziemlich theoretisch. Zum Beispiel werden bei der Fundamentalanalyse zwar die wichtigsten Kriterien genannt, aber wie man das beispielsweise konkret in einer Bilanz ablesen kann, wird leider nicht gezeigt. Auch Sätze wie „Ein aus charttechnischer Sicht schlechtes Bild“ sind meiner Meinung nach nicht wirklich hilfreich, denn es wird ja nicht erklärt wie man einen Chart liest.

Fallstudien

Im vierten und letzten Kapitel gibt es noch einige Fallstudien. Florian Homm zeigt zum Beispiel, welche Märkte in Zukunft interessant sein könnten. Dabei werden unter anderem die Risiken im Yen/USD-Verhältnis aufgezeigt und der Rohstoff Kobalt wird angesprochen.

Moralische Aspekte

Kommen wir jetzt zur Anfangsthema zurück: Sind Leerverkäufe moralisch verwerflich? Und da wird bestimmt jeder seine eigene Meinung haben. Natürlich stimmt es, dass es beim Leerverkaufen immer zwei Gegenparteien aufeinandertreffen. Der Leerverkäufer setzt auf fallende Kurse, der Käufer setzt darauf, dass der Kurs steigt.

Allerdings muss man auch dazu sagen, dass Leerverkäufer den Markt organisch regulieren und Blasenbildungen verhindern. Sie decken betrügerische Unternehmen auf agieren so als verlängerter Arm der Aufsichtsbehörden. Außerdem sorgen sie für Liquidität, sodass die Volatilität sinkt. Deshalb sind sie für mich auf jeden Fall ein legitimes Mittel.

Fazit

Für alle, die sich noch nie mit dem Thema Leerverkauf beschäftigt haben, ist das Buch eine ganz gute Einleitung in das Thema. Man darf aber nicht erwarten, dass man danach direkt loslegen kann, denn meiner Meinung nach ist weitere Fachliteratur auf jeden Fall notwendig, denn die Themen werden eigentlich immer nur angeschnitten.

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